Für den zentralen Bereich der menschlichen Sexualität fehlen in den WHO-Standards für die Sexualaufklärung jegliche moralische Normen und Standards
Laut Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO), setzt sexuelle Gesundheit, eine positive und respektvolle Haltung zu Sexualität und sexuellen Beziehungen voraus. „Um sexuelle Gesundheit zu erreichen und beibehalten zu können, müssen die sexuellen Rechte aller Personen respektiert, beschützt und erfüllt werden“. Die WHO definiert sexuelle Gesundheit als: „Zustand des körperlichen, emotionalen, mentalen und sozialen Wohlbefindens in Bezug auf Sexualität“[1].
Diese Definition der WHO ist irreführend und verantwortungslos. Als erstes haben die sexuellen Rechte einer Person wenig mit sexueller Gesundheit zu tun. Es bringt hingegen zum Ausdruck, dass jeder Mensch seine sexuellen Neigungen, Präferenzen und Vorlieben ungehindert, und ungeachtet der Frage, ob seine sexuellen Verhaltensweisen verantwortungsvoll oder pervertiert sind, ausleben darf.
Im Buch „Liebe und Sexualität als soziale Konstruktion“ kommt dies deutlich zum Ausdruck. Dort liest man über die Soziologie der Sexualität: „Die wissenschaftliche Macht der Sexologen beruht darauf, dass sie sich auf eine relative präzise Definition von „sexueller Gesundheit“ haben einigen können. Als sexuell „gesund“ gilt demnach, wer fähig ist, nach Belieben […] jenen Höhepunkt sexuellen Genusses zu erreichen, den man heute allgemein als „Orgasmus“ bezeichnet. Genauer: Die sexuelle Gesundheit eines Menschen bemisst sich daran, wie nahe er in seiner sexuellen Befriedigung dem „idealen Orgasmus“ kommt, d.h. dem normativen Modell des Höhepunktes sexuellen Genusses, die jeweils als die „kompetentesten“ gelten“. Für Sexualforscher wird die sexuelle Gesundheit am Befriedigungserlebnis und der Intensität des sexuellen Genusses gemessen. Dies hat nichts mit dem emotionalen Wohl und Gesundheit eines Menschen und einer Gesellschaft zu tun!
Zweitens differenziert die WHO nicht zwischen dem individuellen körperlichen und geistigen Wohl und der sexuellen Beziehung. Das körperliche, emotionale und mentale Wohlbefinden bezieht sich jeweils auf die Person, das soziale Wohlbefinden auf die Beziehung zum Mitmenschen. Soziales Wohlbefinden in Bezug auf Sexualität ist daher unmöglich von der Beziehungsebene und den zwischenmenschlichen Beziehungen zu trennen!
Soziales Wohlbefinden wird nur dann erfüllt, wenn die zwischenmenschlichen Beziehungen auch funktionieren. Wenn eine sexuelle Beziehung hauptsächlich der eigenen Lustbefriedigung dient, so ist dies immer auf Kosten des anderen. Der Partner dient dann nur zur Befriedigung des eigenen Triebes. Es reicht nicht, dass nur die Wünsche, Bedürfnisse und Rechte des Einzelnen erfüllt werden, sondern auch das Wohl, die Bedürfnisse und Wünsche des anderen. Die innere Harmonie und Balance von Geist und Körper, ist nicht nur eine wesentliche Grundlage für das persönliche Wohlbefinden, sondern auch die Grundlage für zwischenmenschliche Beziehungen und soziales Wohlbefinden.
Drittens, die WHO ist in Bezug auf das Grundbedürfnis des Menschen nach Wasser, Luft und Nahrung zurecht auf Qualitätsstandards, auf nährstoffreiche Lebensmittel, reines Wasser und saubere Luft bedacht. Die Einhaltung der Qualitätskriterien in Bezug auf Reinheit, Sauberkeit und Nährstoffreichtum sind eine wesentliche Grundlage für die körperliche Gesundheit. Für den zentralen Bereich der menschlichen Sexualität aber fehlen in den WHO-Standards für die Sexualaufklärung, jegliche moralische Normen und Standards.
Für die physische Existenz und unseren Körper sind Nahrung, Luft und Wasser lebensentscheidend. Wasser ist der Hauptbestandteil unserer Zellen und dient dem Aufbau sowie der Erneuerung von Zellen und Gewebe. Luft ist ein unabdingbares Lebenselixier für Mensch und Natur. Saubere Luft steht für Lebensqualität und ist somit eine der wertvollsten Ressourcen. Eine gesunde Ernährung ist die Basis zur Deckung des täglichen Energie- und Nährstoffbedarfs. Verschmutzte Luft, unreines Wasser und verdorbene Lebensmittel haben einen unmittelbaren negativen Einfluss auf unser physisches Wohlbefinden.
Für sein Sexualleben bleibt es jeden Menschen selbst überlassen was er konsumiert, welche Neigungen und Gefühle er auslebt und was für ihn gut und richtig ist. Wenn aber die Gefühle eines Menschen verletzt, gestört, voll Angst, Zorn und Hass sind, so kann dies zu gestörten und sehr zurechtkonstruierten Verhaltensmustern führen. Die Gefühlswelt ist dann nicht nur verstümmelt und schwer beschädigt, sondern auch das daraus resultierende moralische Urteil. Kurz gesagt, eine pervertierte Gefühlsbasis erzwingt pervertierte moralische Urteile. Sexualaufklärung will Kindern und Jugendlichen Informationen, Fähigkeiten und „positive“ Werte vermitteln und sie befähigen, ihre Sexualität zu verstehen, zu genießen und sichere und erfüllende Beziehungen einzugehen sowie verantwortlich mit ihrer eigenen sexuellen Gesundheit und der ihres Partners umzugehen. Im ersten Moment klingt es plausibel, dass die Kinder und Jugendlichen Informationen über Sexualität brauchen. Die eigentliche Quelle des moralischen Urteils ist aber die Emotionalität und nicht unsere Ratio.
Indem die WHO Experten es verweigern, moralische Standards zu definieren, werden pervertierten Gefühlen, korrumpierten Gedanken, verrückten Ideen und Fantasien und zweifelhaften Motiven, Tür und Tor geöffnet. Jede Art von schmutziger und pervertierter Sexualität ist erlaubt, sofern sie der eigenen Lustbefriedigung dient. Es kommt einzig und allein darauf an, ob es sich gut anfühlt und ich mit dem Objekt meiner Begierde einen Konsens gefunden habe. In den Aufklärungsmaterialien „Ganz schön intim“ findet sich ein Beispiel, wo ein 12-jähriges Mädchen auf einer Party total betrunken, von einem „süßen“ Jungen angesprochen wird, um mit ihm „rumzumachen“ und Sex zu haben. Viele Pädagogen finden daran nichts Bedenkliches! Für Sex Experten ist es in Ordnung, wenn eine Frau in einer festen Beziehung lebend, mit einem anderen Mann oder Frau, ein Date hat, solang es einen Konsens der Beteiligten gibt. Um einen solches Date zu rechtfertigen hat er bzw. sie natürlich „gute“ Gründe und er bzw. sie wird kompetent die „richtigen“ Argumente, besser gesagt Rechtfertigungen, vorbringen. Und für mögliche gesundheitliche Folgen ihres riskanten Sexualverhaltens wird dann die Öffentlichkeit und der Staat verantwortlich gemacht.
Sozial- und Sexualwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler plädieren derzeit für die Etablierung einer Verhandlungsmoral als gültige Sexualmoral der Gegenwart. Der Kern dieser Moral besteht darin, dass die Inhalte in gegenseitigem Einverständnis von mündigen, gleichwertigen, gleichberechtigten und gleich starken Beteiligten ausgehandelt werden. Eine wichtige Voraussetzung ist, dass die Beteiligten ein gemeinsames Verständnis des Begriffs „Einvernehmlichkeit“ entwickeln und sich die Konsequenzen ihres Handelns – gerade auch in ihrem partnerschaftlichen und sexuellen Verhalten – bewusst machen. Der Kern der Verhandlungsmoral, und damit auch deren Ambivalenz, besteht in der Annahme, dass die Beteiligten „mündig“ sind und auf gleicher Augenhöhe verhandeln. Mündig sein, heißt aber nicht, dass der Mensch auch reif, aufrichtig und integer ist! Ja, die Verhandlungsmoral ignoriert diese entscheidenden Tugenden wie Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und Integrität und thematisiert auch nicht die Frage, WIE das Einverständnis zustande kommt. Gerade im Bereich der Sexualität wird oft gelogen, hintergangen und manipuliert.
Der fatale Fehler der WHO Experten ist, dass sie Sexualität von Liebe und Beziehung getrennt haben, um so, im Namen der Selbstbestimmung, unlautere Liebesbeziehungen und pervertierte sexuelle Verhaltensweisen zu rechtfertigen.
Dies ist ein Auszug aus „Sexuelle (Un)bildung“ von Josef Gundacker, Familienforum Österreich