„Am Anfang und im Zentrum dessen, was junge Menschen erfolgreich ins Leben hineinführt, also lebenstüchtig machen lässt, muss Charakterbildung stehen. Charakterbildung zielt auf etwas anderes. Sie hat vor allem mit Ehrlichkeit, Anstand, Lebensmut, Lebensfreude, Selbstvertrauen und auch der Fähigkeit zu tun, zugleich anderen zu vertrauen wie für sie vertrauenswürdig zu sein.“ – Hubert Markl, früherer Präsident der Max-Planck-Gesellschaft
Kommentar von Josef Gundacker
Das aktuelle bildungspolitische Ziel der Bundesregierung ist es, Ethik als Pflichtgegenstand für alle Schülerinnen und Schüler einzuführen, die keinen Religionsunterricht besuchen. Dadurch entsteht ein zusätzliches Bildungsangebot für Schülerinnen und Schüler, die keinem religiösem Bekenntnis angehören oder sich vom Religionsunterricht abmelden. Für die Bildungssprecherin der SPÖ, Sonja Hammerschmid, ist die von der Regierung geplante Variante der Einführung des Fachs lediglich ein „Minderheitenprogramm“. Sie meinte bei einer Pressekonferenz: „Im Ethikunterricht geht es um Fragestellungen, die uns alle betreffen, das hat nichts mit Religion zu tun“
Dem Lehrplanentwurf 2020 der Bundes-ARGE Ethik liegt das Kompetenzmodell zugrunde, indem nur von Kompetenzen gesprochen wird, die die Schüler erwerben sollen. Völlig wertneutral werden ethische Theorien und die verschiedenen Religionen behandelt. Über Werte des Wahren, Guten und Schönen zu reden, wie es im SchOG § 2 heißt, und über Verantwortung, Integrität, Fehler und Schwächen zu reden, ist ein Tabu.
Der Ethikunterricht ist nur ein didaktisches Konzept, indem Begriffsklärungen, ethische Richtungen, ethische Diskurse und ethisches Argumentieren die zentralen Inhalte sind. Im Lehrbuch „Kernbereiche Ethik 1 und 2“ von Karl Lahmer, Verlag E. Dorner heißt es: „Dem Ethikunterricht geht es ganz wesentlich um Nachdenklichkeit und Orientierungsautonomie. Heranwachsenden soll diskret Hilfe angeboten werden, sich von fragloser und naiver Übernahme herkömmlicher Verhaltensmuster zu befreien. Die Schüler sollen lernen, Situationen und Probleme wahrzunehmen, Perspektiven einnehmen, zu analysieren und zu reflektieren, zu argumentieren und zu urteilen, Interagieren und Sich-Mitteilen und Handlungsoptionen entwickeln“. Es ist aber eine Illusion zu glauben, dass ein Mensch, der gut analysieren, interagieren und sich mitteilen kann, auch verantwortungsvoll handelt! Das genaue Gegenteil ist oft der Fall, dass viele Männer sowie Frauen, ihre Kompetenzen und Fähigkeiten dazu einsetzen, um nur für sich Vorteile zu lukrieren.
Die „Ethik“, die in den Lehrmaterialien gelehrt wird, ist eine reine Zweck- und Gesinnungsethik! Unter Moral und Ethik werden vier Fragen gestellt: „Ich treffe aufgrund meines Gewissens und überlegt die Entscheidung: Ich werde nicht stehlen. – Dieser Grundsatz ist vernünftig: Er ist für die Gesellschaft gut. – Meine subjektiven Prinzipien und die Folgen für die Gesellschaft sind berücksichtigt. – Aus moralischer Sicht habe ich nun die Pflicht, nach diesem Grundsatz zu handeln.“
Charaktereigenschaften, wie Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Rechtschaffenheit, Verantwortung, sind verbindliche menschliche Kategorien, die grundlegend für ethisch/moralisches Handeln sind. Entweder bin ich ehrlich oder unehrlich, aufrichtig oder unaufrichtig, verantwortlich oder unverantwortlich! Viele Menschen heucheln Interesse, Aufrichtigkeit und Verantwortung vor.
Kinder werden im geplanten Ethikunterricht durch einen Supermarkt der Theorien, Weltanschauungen und Lebensentwürfe geführt, damit sie sich die „passendenden“ Ideen herauspicken können. Eine solche „Ethik“ dient dann nur dazu, den eigenen Lebensstil zu rechtfertigen.
Ethik [griech. ethos] bedeutet u.a. Gewohnheit. Wenn ein Mensch beispielsweise gewohnt ist, unaufrichtig zu sein, und/oder gelegentlich lügt, jeder aber selbst bestimmt, was für ihn ethisch und moralisch ist, dann ist auch Unaufrichtigkeit und Lüge sein ethisch/moralischer Standard. Dies ist der Hauptgrund, warum eine wertfreie Ethik, welche nicht mehr zwischen moralisch „guten“ und moralisch „schlechten“ Entscheidungen und Handlungen unterscheidet, ihr Bildungsziel verfehlen muss.
Das Familienforum Österreich spricht sich für die Einführung von Charakterbildung anstelle eines wertfreien Ethikunterrichts aus. Da der Charakter des Menschen die Grundlage für friedliche Beziehungen und das soziale Miteinander ist, ist die „Erziehung des Charakters“ ein wichtiger Beitrag, zur Entwicklung und Förderung unserer Kinder und Jugendlichen.