Ein Großteil der Menschheit begeht in diesen Wochen den sogenannten Advent. Jeder weiß, dass dieses Wort Ankunft bedeutet. In der Antike hat man in diesen Wochen vor allem darauf gewartet, dass die Tage wieder länger und wärmer werden. Das Christentum hat sich dieses Brauchs angenommen und daraus die Wartezeit auf das Weihnachtsfest einerseits und auf das zweite Kommen Christi anderseits gemacht. Aber warten die Christen heute wirklich auf die Ankunft Christi?
Für das jüdische Verständnis ist der Messias, der Gesalbte, der endzeitliche Heilsbringer. Im Laufe der Geschichte des auserwählten Volkes traten immer wieder Messiasse auf. Immer wieder gab es die Bereitschaft, ihnen zu folgen, aber immer wieder folgte die Enttäuschung, weil die Welt immer noch die Alte und Unerlöste zu sein schien. Messias bedeutet königlicher Heilsbringer, Befreier, Erlöser. Erlösung und Befreiung – aber wovon und wie soll das gehen?
Alle Welt feiert Weihnachten, auch heuer wieder, nicht nur die Christen. Es leuchten die Lichter, es werden Geschenke gemacht, doch immer weniger Menschen denken daran, dass dieses Fest der Erinnerung an die Geburt eines ganz speziellen Menschen galt und gilt. Eines Menschen, der kein Buch geschrieben, keine Symphonie komponiert, keine Erfindung der Menschheit hinterlassen, kein Bild gemalt, kein Bauwerk errichtet hat – und doch hat er die Welt, die Geschichte und das ganz persönliche Leben unzähliger Menschen nachhaltiger beeinflusst, als je ein Mensch zuvor und bislang danach.
Wenn ein Mensch geboren wird, weckt das in uns die freudige Hoffnung, dass die Schöpfung doch nicht zum Stillstand gekommen ist, dass das Leben weitergeht, dass von jetzt an alles besser wird. Im Falle von Jesus war es, trotz Ankündigung seine Geburt durch einen Engel an die Hirten, nicht offenkundig wer da kommen soll. Ja, dieses Ereignis lag jenseits aller Vorstellungskraft, so dass es nicht einfach war, dieser Botschaft Gehör zu verschaffen. Selbst Johannes ließ Christus fragen: „Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir eines anderen warten?“ (Mat.11,3)
Habt ihr schon einmal auf jemanden gewartet, ihn vielleicht sehnsüchtig erwartet und dabei in Kauf genommen, dass derjenige euren Tages- und Zeitplan gehörig durcheinandergebracht hat? Warum sollen wir eigentlich auf einen Erlöser warten? Fehlt uns etwas?
Von einem Verlust des rechten Maßes, der Menschlichkeit, spricht der verstorbene Kunsthistoriker Hans Sedlmayr in seinem Buch „Verlust der Mitte“. Der moderne „autonome“ Mensch habe ein gestörtes Verhältnis zu Gott, da er ihm nicht mehr diene. Ein gestörtes Verhältnis zu sich selbst, da er sich mit Misstrauen und Angst betrachte, zu seinen Mitmenschen, da der Mensch auf die sichtbaren Dinge reduziert wurde. Und vor allem fehle dem Menschen der Vater im Ur- und Vollsinn des Wortes.
Wenn wir diesen Gedanken weiterverfolgen, stellen wir fest, dass ihm auch die Mutter fehlen muss, denn ein Vater ohne Mutter ist nicht denkbar. Der Herr der Herrlichkeit muss also Eltern sein, wahre authentische Eltern – Eltern, die die Menschheit wieder mit Gott verbinden. Diese Eltern gründen keine Religion, sie gründen eine Familie, eine Weltfamilie.
Warten ist mit bestimmten Erwartungen und Hoffnungen verknüpft, und jedes Jahr hoffen wir, dass sich unser Leben ändert, dass Ungerechtigkeit zu Gerechtigkeit und Hass in Liebe umgewandelt wird. Wir können aber nicht erwarten, dass wahre Eltern sich mit unseren Schwächen solidarisch erklären und unsere Fehler und Sünden tolerieren. Vielmehr dürfen wir erwarten, dass sie unsere Ideen und Konzepte sowie den Ablauf unseres täglichen Lebens gehörig durcheinanderbringen. Nur wer bereit ist, seine eigenen Lebenskonzepte zu hinterfragen, kann Heilung und Erlösung erfahren.
Wenn wir bereit sind Gott, den Nächsten und uns selbst in einem neuen Licht zu sehen, haben wir die Chance auf Veränderung, um selbst zu wahren Menschen und selbst wahren Eltern zu werden.
In diesem Sinne wünschen wir eine besinnliche Adventzeit und FROHE WEIHNACHTEN
Josef Gundacker und das Team des Familienforums Österreich
(Mehrere Auszüge dieses Textes sind dem Buch „Wo bitte geht´s hier zum Paradies?“ des Theologen Heinz Krcek entnommen) ©2013 Kando-Verlag GmbH Stuttgart