Kommentar von Josef Gundacker
Von Gegnern einer umfassenden Gleichstellung von Schwulen und Lesben werden gerne die Schlagwörter „natürlich“ und „ideal“ gebraucht, von Befürwortern „sozial“ und „tolerant“. Der Lebensstil eines Menschen so das Argument, sei seine ganz private Angelegenheit. Niemand dürfe daher wegen seiner Orientierung und seines Lebensstils diskriminiert werden.
Befürworter traditioneller Familienwerte sprechen vom Vater-Mutter-Kind Modell als „ideal“ oder „natürlich“. Alle anderen Familienformen sind ihnen suspekt. Die liberalen Kräfte sagen, jedes Modell sei gleichwertig, die Bevorzugung eines Modells sei unsozial und daher diskriminierend. Welche Familienform ist nun „natürlich“ und welche „sozial“?
Ist es natürlich und sozial, wenn ein Mann, egal in welcher Familienform, sein Kind bedroht, verängstigt, vernachlässigt oder missbraucht? Ist es natürlich, wenn die Mutter das Kind nur dann liebt, wenn es die eigenen Erwartungen erfüllt? Nein, die Unfähigkeit zu lieben oder die Liebe des Kindes zu missbrauchen, ist weder ideal noch sozial!
Neue Familienmodelle verschleiern Grundproblem
Sowohl traditionelle Familien als auch Patchwork-, Alleinerzieherfamilien oder homosexuelle Partnerschaften sind heute oft von unreifer Liebe und Ressentiments geprägt. Wir leben in einer Welt vieler Großgewordener und wenig Erwachsener.
Patchwork-Konstellationen sind in der Regel aus Beziehungskonflikten in der eigenen Familie bzw. der Herkunftsfamilie hervorgegangen. Kein Paar hat jemals geheiratet mit dem Ziel, sich bald wieder scheiden zu lassen, um eine Patchwork Familie zu gründen. Viele Menschen ignorieren den eigenen Anteil am Scheitern einer Beziehung und geben dem Partner die Schuld oder sie sagen: „Es hat einfach nicht gepasst.“ Manche Familientherapeuten und Psychologen behaupten: „Wenn eine Beziehung scheitert, hat das nie etwas mit einer persönlichen Schuld zu tun. Wir werden aus dem Unbewussten von Kräften gesteuert, gegen die wir mit unserem Wollen nur wenig ausrichten können.“ Durch diese Art des Schönredens, wollen sie zwar ihre Klienten entlasten, nur funktioniert das nicht. Die inneren Probleme und falschen Verhaltensmuster bestehen weiter und sie kommen in einer späteren Beziehung erneut zum Vorschein.
Die traditionellen und liberalen Kräfte betonen ständig das Recht auf Freiheit, Gleichheit, Liebe und Leben, die menschliche Verantwortung für das eigene Leben – das Leben der Anderen wird nur in einem Nebensatz erwähnt. Liebe ist nicht gleich, sie kennt große Qualitätsunterschiede. Die Behauptung, dass jeder Lebensstil gleichwertig sei, ist deshalb nicht richtig, da ein Lebensstil, der auf einer egoistisch motivierten Liebe baut, zu einem anderen Resultat führt, als ein Lebensstil, der das Glück des Anderen zum Ziel hat. Der erste führt zu Enttäuschung und Trennung, der andere in eine vertraute Bindung und Erfüllung.
Liebe, Leben und Sexualität sind keine Frage des Rechts, sondern eine Frage der Reife! Der Grund, dass so viele am „idealen“ Modell der Vater- Mutter- Kind Familie scheitern, liegt nicht am Modell selbst, sondern an der Unreife der Beteiligten. Es aber deshalb als unerreichbar aufzugeben, wäre für die Gesellschaft fatal. Eine Gesellschaft, die ihre Ideale aufgibt, hat aufgegeben zu leben.
Die Problematik des Eherechts
Europäische Menschenrechtskonvention Abschnitt I – Rechte und Freiheiten (Art. 2 – 18)
Artikel 12 Recht auf Eheschließung: „Männer und Frauen im heiratsfähigen Alter haben das Recht, nach den innerstaatlichen Gesetzen, welche die Ausübung dieses Rechts regeln, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen.“
Wenn jemand eine Hochschule besuchen will, braucht er bestimmte Qualifikationen und Voraussetzungen. Um eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen, sind nur das entsprechende Alter und eine Absichtserklärung notwendig. Niemand fragt nach, ob ich die notwendige menschliche Reife und Voraussetzung mitbringe. Mangelnde Reife ist der jedoch Hauptgrund, dass so viele Ehen scheitern und Familien zerbrechen. Sind Ehe und Familie nicht die „Hochschule der Liebe und des Lebens“? Jeder hat das Recht auf Bildung,heißt es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Artikel 26). Bildung ist die Grundvoraussetzung für soziale und wirtschaftliche Entwicklung. Das eigentliche Humanvermögen wie Sozialwissenschaftler sagen, bringt die Familie hervor. Der entscheidende Faktor für das Wohl und die Entwicklung der Familie ist die Beziehung, die Liebe der Eltern. Modernes Familienleben zeichnet sich zwar durch Vielfalt und Toleranz aus – nicht aber durch Sicherheit, Verlässlichkeit und stabile Beziehungen der Eltern.
Politik muss den Kern des Problems erkennen
Die Lösung der familiären Probleme liegt nicht in mehr Toleranz und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Familien brauchen Antworten auf ihre realen Probleme und belasteten bzw. belastenden Beziehungen. Die primären Probleme in den Familien sind, unabhängig vom sozialen Status Beziehungsprobleme. Erst dann folgen materielle Sorgen.
Die aktuelle Familienpolitik ist bemüht, durch materielle und sonstige Unterstützungen die Familien in die Lage zu versetzen, ihre sozialen Grundaufgaben zu erfüllen und gleichzeitig ihre Unabhängigkeit zu wahren. Genügt das aber?
Neues Leitbild für Familienpolitik notwendig
Es ist völlig unklar, was Familie eigentlich ist! Im Familienbericht heißt es:„Familie ist demgemäß auch dann vorhanden, wenn keine Kinder da sind. Entscheidend sind die von den involvierten Akteuren als familial interpretierten Beziehungen“. Und wie werden diese Beziehungen meist interpretiert? Zum eigenen Vorteil oder zum Wohl des Partners? Die meisten Politiker definieren Familie primär als Verantwortungsgemeinschaft zwischen Eltern und Kind – „Familie, ist dort wo Kinder sind“.
Die Eltern-Kind Beziehung ist aber nicht frei gewählt, sondern vorgegeben. Was Familie ausmacht und formt, ist die Eltern-Kind-Beziehung. Die Qualität der Beziehung und die Reife der Eltern haben einen unmittelbaren Einfluss auf das Kind.
Jedes erfolgreiche Unternehmen hat ein Leitbild und Qualitätsstandards als Grundlage für seine Entwicklung, genauso braucht auch das Unternehmen Familie, Werte und Standards als notwendige Grundlage um sich entwickeln zu können.
Familienpolitik versteht sich als eine Politik zur Schaffung von rechtlichen, sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen, Instrumenten und Maßnahmen, womit Familienentwicklung und annehmliches Familienleben ermöglicht und gefördert werden. Welche Rahmenbedingungen für die gesamtmenschliche Entwicklung gut und daher förderungswürdig sind, ist aber umstritten. Dies zeigt sich bei der Frage der Frühförderung und der Kinderbetreuung.
Die Politik sieht das erste Handlungsfeld in der Unterstützung der Sozialisation des Kindes. Wo ist der erste Ort der Sozialisation für ein Kind? Die Familie! Die Säuglings- und Kleinkindforschung lässt keinen Zweifel daran, wie wichtig der elterliche Einfluss in den ersten Lebensjahren für die weitere und grundsätzliche Entwicklung des Kindes ist. Und sie stellt fest, dass sogenannte „Frühstörungen“ im Grunde genommen unheilbar sind, höchstens in ihren Folgen gemildert werden können, daher sollte der Prävention die wesentlich größere Bedeutung als der Therapie eingeräumt werden.
Die Erziehungsfähigkeit der Eltern stellt ein weiteres zentrales Handlungsfeld der Politik dar. Die Eltern sind die ersten und wichtigsten Bezugspersonen. Diese für diese wichtige Aufgabe auszubilden – darin versagt die Familienpolitik seit Jahrzehnten. Die Politik misstraut nicht nur den Eltern, sie unternimmt auch nichts, um die Erziehungskompetenzen der Eltern zu stärken.
In der modernen Erziehung und Bildung ist die eigenständig handelnde und emanzipierte Person das Ziel. Dieses Ziel soll erweitert werden im Hinblick auf die zukünftige Rolle unserer Kinder als Eltern und Verantwortliche des eigenen Unternehmens Familie. Das Leitbild der zukünftigen Pädagogik muss der verantwortungsvolle und beziehungsfähige Mensch sein.
Die Politik muss unbedingt nachdenken, wie sie die Eltern besser unterstützen, die Erziehungsfähigkeiten der Eltern besser fördern und die Kinder als zukünftige Eltern besser bilden kann. Familie zu stärken ist nicht nur eine Wertefrage, sondern eine Existenzfrage.