Immer mehr Kindergartenkinder verhaltensauffällig
Kinderärzte warnen vor einer enormen Zunahme von Entwicklungsstörungen: Einer Studie zufolge ist jedes fünfte Kind in bayerischen Kindergärten sozial auffällig.
Jedes fünfte Kindergartenkind in Bayern zeigt auffällige Verhaltensweisen. Das geht aus einer neuen Untersuchung des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) zusammen mit Betriebskrankenkassen hervor. Bei der Auswertung von 4318 Vorsorgeuntersuchungen bei Vier- und Fünfjährigen (U8 und U9) zeigte sich, dass 21,8 Prozent der Kinder als auffällig eingestuft wurden.
„Wir sehen immer mehr Kinder mit Entwicklungsstörungen, Konzentrationsschwächen und seelischen Problemen“, sagte der BVKJ-Landesvorsitzende Martin Lang. Bei einer ähnlichen bundesweiten Studie seien nur 13,3 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen entsprechend bewertet worden.
Zu der Frage, welche Ursachen der Anstieg habe, gebe es keine sicheren Daten, erklärte Lang. Aus 15-jähriger Praxiserfahrung könne er aber sagen, dass zum einen das familiäre Umfeld heutzutage oft nicht mehr so stabil sei und der steigende Medienkonsum Auswirkungen auf die Kinder habe.
Bei der Auswertung wurde auf Fragebögen zurückgegriffen, die die Mütter beziehungsweise Erzieherinnen in Kindertagesstätten ausgefüllt hatten, wie Lang erklärte. Dabei wurden soziale Kompetenz, Feinmotorik, Bewegungsablauf und Körperkoordination sowie die Konzentrationsfähigkeit der Kinder bewertet.
Nicht selten werden wir zum Familienpsychologen
Lang sprach in diesem Zusammenhang von „neuen Krankheiten“, die enorme Herausforderungen an die Kinder- und Jugendärzte stellten. „Nicht selten werden wir zum Familienpsychologen.“ In der Aus- und Fortbildung würden deswegen entsprechende Schwerpunkte gesetzt.
Bei den Sieben- bis Zehnjährigen gab es bei den Vorsorgeuntersuchungen U10 und U11 ebenfalls viele Auffälligkeiten. Hier zeigten sich bei mehr als 15 Prozent Fehlentwicklungen in Bezug auf den sozialen und emotionalen Zustand der Kinder, wie der BVKJ erklärte. Das Ergebnis sei beunruhigend, sagte Lang.
„Wir sehen nicht nur eine Zunahme der sogenannten ‚ADHS-Kinder‘ – also von hyperaktiven und oft auch unkonzentrierten Kindern, die nicht selten Schulprobleme haben -, sondern auch Kinder mit emotionalen Problemen und leider auch viele, die im Umgang mit Gleichaltrigen Schwierigkeiten haben. Das ist jetzt schon ein großes gesellschaftliches Problem“, warnte der BVKJ-Landesvorsitzende.